Bilder der Ausstellung:
Bilder der Ausstellung:
Eröffnung durch Frau Dr.in Martina Gelsinger
Dieser Text gibt die mündlich vorgetragene Ausstellungseröffnung von Dr.in Martina Gelsinger anlässlich der Vernissage „between form and image“ von Andreas Sagmeister und Violetta Wakolbinger am 6. September 2018 im „20gerhaus“ Ried i.I. wieder und ist nicht als Schreibtext formuliert.
Liebe Gäste der heutigen Ausstellungseröffnung, liebes Team des Kulturverein 20er Haus, vor allem liebe Violetta und lieber Andreas!
Danke für die Einladung zur Ausstellungseröffnung. In Linz habe ich in den letzten Monaten schon viel Erfreuliches und Schönes über das 20er Haus gehört. Jetzt habe ich die Gelegenheit selbst mit meiner Einführung Teil des Programmes dieser gelungenen Kunstinitiative zu sein!
Es ist eine Doppelausstellung, die heute eröffnet wird - zwei Künstler, zwei Begriffe im Titel. Eine Doppelausstellung schafft immer die Möglichkeit, Bezüge zwischen Arbeiten, Objekten und künstlerischen Herangehensweisen herzustellen. Das erlebe ich immer spannend und anregend. Dieses Gegenüber oder Nebeneinander in der Betrachtung von Kunst ist mir auch vom Kunstgeschichtestudium in den 90er Jahren in Salzburg noch sehr vertraut. Heute sind es keine Abbildungen der Kunst vergangener Epochen. Es sind Originale von Werken die erst in den vergangenen Jahren entstanden sind, zwei Skulpturen und einige „Miniaturen“ im Schaufenster von Andreas und zwei verschiedene Fotoserien von Violetta.
Bei Violetta Wakolbinger und Andreas Sagmeister hätte ich diese Referenzen vorerst nicht vermutet. Dass sich hier interessante Bezüge ergeben spricht wiederum für die Kuratorin, Herta Gurtner, die diese beiden Positionen „zusammengespannt“ hat.
Beide Künstler kenne ich schon einige Zeit. Andreas noch länger als Violetta. Er hat einen Wettbewerb für die Altarraumgestaltung der Pfarrkirche Dorf/Pram gewonnen und mit seiner Arbeit in der Kommunikation mit der Pfarrleitung einen langen Atem bewiesen. Und gerade jetzt wieder die Ausstattung für den Aufbahrungsraum geschaffen und die Urnengrabanlage im dortigen Friedhof gestaltet.
Violetta kenne ich aus ihrer Tätigkeit als Fotografin und Grafikerin. Von ihrer Persönlichkeit, um die es heute zwar nicht geht, die aber jedoch in den Werken sichtbar ist, schätze ich beide sehr konsequent und ernsthaft im Verfolgen ihrer Arbeit. Dies äußert sich in präzise durchdachten Konzepten und einer perfekten Umsetzung im Herstellungsprozess.
Andreas lebt seit genau einem Vierteljahrhundert im Innviertel (Raab) als freischaffender Künstler. Seine Studienzeit und seine Wurzeln bei Helmut Gsöllpointner an der Linzer Kunstuniversität sind nicht zu verleugnen. Ebenso die Fachschule für Gold und Silberschmiede in Steyr, die eine wichtige handwerkliche Grundlage für sein späteres Schaffen bildete.
Violetta hat an der Linzer Kunstuniversität Raum und Designstrategien studiert, bildet sich dort immer noch im Bereich audiovisuelle Medien weiter und hat die Prager Fotoschule absolviert. Beide sind Perfektionisten in der Ausführung ihrer künstlerischen Konzepte. Bei Andreas ist es der Umgang mit Material, zumeist Stahl, der präzisen materialgerechten Ausführung und bei Violetta die stetige Verfeinerung ihrer fotografischen Technik.
Zu den Arbeiten von Andreas Sagmeister:
between form and image – Zugänge zu Form und Fotografie
der englischsprachige Teil des Titels klingt …...weicher, phantasievoller „image“
- Zugänge zu Form und Fotografie ist schon pragmatischer.
Wie ist also der Zugang von Andreas zur Form?
Die Werke von Andreas werden der konkreten Kunst, dem Minimalismus zugeschrieben. Die beiden Skulpturen hier im Raum stammen aus der Serie „Wendung“, sie tragen den Titel „Wendung VII“ und „Verwendung“. Die Grundform ist bei beiden Objekten jene eines Bandes.
In seinen Skulpturen beschränkt sich Andreas Sagmeister auf einfache, meist geometrische Grundstrukturen. Er schafft Objekte mit sehr klaren, geradlinigen, manchmal strengen und kantigen Formen. Es sind Konstruktionen, die in ihren Proportionen sowohl in Bezug auf den sie umgebenden Raum als auch auf die Proportion der Form in sich wirken.
Die Materialität, die Wirkung der Oberfläche, ihre haptische Qualität spielt in den Arbeiten eine große Rolle. Andreas „beherrscht“ das Material, hier ist es Cortenstahl, manchmal arbeitet er auch mit Holz oder anderen Materialien.
Bei „form“ kommt einem unweigerlich der Begriff „function“ in den Sinn. Der Titel spielt auch auf die Gratwanderung zwischen Abstraktion und Funktionalität, genau zwischen form and function an, in der sich der Künstler immer wieder bewegt. Die Objekte von Andreas Sagmeister definieren Raum, sie nehmen Raum ein. Sie greifen die Grundprinzipien der Bildhauerei auf. „Wendung VII“ lotet die Vertikale aus; „Verwendung“ die Horizontale. Beim ersten Eindruck entstehen Assoziationen an eine Sitzbank, die doch keine ist.
In der Betrachtung der beiden Werke schweifen die Augen hin und her, sie gehen vom Anfang des Bandes bis zu dessen Ende, bis sie in der Reduktion der Form einen Ruhepol bilden. Die Objekte sind auch meditative Arbeiten, die Möglichkeit bieten zu fokussieren und Konzentration schaffen.
Violetta, die für die Ausstellung das Pendant zur Form, das image – das Bild in der Fotografie – stellt, ist eine Generation jünger. Es ist vielleicht kein Zufall, dass sie in der Nachfolgeklasse von Helmut Gsöllpointner, die in Raum und Designstrategien umbenannt wurde, diplomiert hat. Bei der Auseinandersetzung mit Raum ist unübersehbar und zentraler Bestandteil ihrer Arbeiten.
Ihre Serie Immersion von der sie Fotoarbeiten und - aus Platzmangel - nur einen Ausschnitt der dieser Serie zugrundeliegenden Rauminstallation zeigt, gibt den Foto einen raumdefinierenden Charakter. Fotografie hat für sie unmittelbar mit Dreidimensionalität und darüber hinaus mit der vierten Dimension, jener der Raumzeit, zu tun.
Was sehen wir?
Vielleicht geht es ihnen da so wie mir: Beim ersten Blick auf die Bilder war ich verwirrt. Worum handelt es sich hier? Zu erkennen sind, Personen z. T. verschwommen, in Bewegung zwischen oder vor Flächen. Senkrechte Stäbe durchmessen den Bildraum in der Vertikale. Die Verwirrung wird durch eine Orientierungslosigkeit mit der das Auge durch das Bild schweift begleitet.
Violetta setzt hier ein altes Stilmittel aus der Kunst auf neue Weise ein. Die Verwirrung des Betrachters, das suggerieren einer Wirklichkeit, die nur im Bild existiert. Das Schaffen von Raum als zusätzlicher Bildebene. Seit der Renaissance, besonders in der Barockzeit, kennen wir es als „trompe-l’œil“, die Augentäuschung, eine illusionistische Malerei, die mittels perspektivischer Darstellung Dreidimensionalität vortäuscht. Besonders in Wand- und Deckenmalereien erweitern solche Bilder die Optik der Architektur. Sie lassen auf diese Weise Räume größer erscheinen oder erzeugen einen Ausblick auf Phantasielandschaften. Das Bild wird zur Bühne. Es geht um die Erweiterung, um die Öffnung von Raum.
Die Grundlagenmotive des Bildes sind Teil des Konzeptes und des Titels. Es ist eine Baustelle, ein vorübergehender Zustand, die in Einzelmotiven auf transparente Folie gedruckt wurde und in einer Durchmessung der vertikalen Raumhöhe in eine Garage gehängt wurde. Diese Rauminstallation wird in „Augenschein“ genommen, Menschen bewegen sich dazwischen.
Es ist eine der großen Fragen der Kunst, die Violetta hier aufgreift, die Frage nach dem Bild als Wirklichkeit oder Abbild. Der Irreführung des Betrachtenden. Der Macht der Bilder und auch jener, die sie erzeugen und verbreiten.
Violetta nimmt die Form und die Technik der Fotografie als Ausgangspunkt, um sich mit der Frage des Bildes zu beschäftigen.
In der zweiten Serie, die hier zu sehen ist, der Fotoserie „Nebenraum“, setzt sie sich mit dem Begriff der Virtualität auseinander. „Es ist die Eigenschaft einer Sache, nicht in der Form zu existieren, in der sie zu existieren scheint, aber in ihrem Wesen oder ihrer Wirkung einer in dieser Form existierenden Sache zu gleichen.“ (siehe wikipedia) Der Begriff geht zurück auf das lateinische Wort virtus, das u.a. mit Tugend, Tapferkeit und Kraft übersetzt wird. Raumsituationen werden als Fotomontagen zu einem nur auf dem Bild, aber nicht in der Wirklichkeit, existierenden Raum. Mit dieser Serie hinterfragt sie eine ganz besondere Rolle und Bedeutung der Fotografie als Medium der Dokumentation, als welches sie die Malerei abgelöst hat.
Beide Künstler haben ihre Referenzen in der Geschichte der Kunst, der Auseinandersetzung mit Themen, Fragestellungen, Formen, die sie auf ihre je eigene Ausdrucksform neu definieren und sichtbar werden lassen.
Bei Andreas ist es u.a. die Frage nach der Form im Raum, dem spezifischen Einsatz von Material, der Materialgerechtigkeit und der unmittelbaren Bedingtheit von Form und Materialität.
Bei Violetta ist es u.a. die Frage des Bildes als Verwirrung und Täuschung des Auges.
Nach den Gedanken zu den Werken hier im Raum möchte ich zum Abschluss auch die Gelegenheit nutzen meinen Eindruck zu diesem Ort zu vermitteln.
Das 20er Haus ist ein kleiner Raum. Nicht wie das 21er Haus in Wien ein großer Baukomplex mit einem gut ausgestatteten MitarbeiterInnenstab. Dennoch gehen in der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst hier viele wertvolle Impulse für die Stadt und die Region aus.
So wie wir in der Diözese die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst, mit KünstlerInnen und ihren Arbeiten als Mehrwert für die Menschen vor Ort in allen Regionen des Bundeslandes erleben, als Horizonterweiterung als neue Perspektive als etwas, das rein über das funktionale, berechenbare und in Formen fassbare übersteigt. So erlebe ich auch diese Initiative hier.
Zeitgenössische Kunst eröffnet Gespräche, weitet den Blick, regt zum Nachdenken, vielleicht auch zum Innehalten oder nur zum Schauen und Staunen oder auch Kopfschütteln an. Das Konzept neben renommierten KünstlerInnen aus der Region auch KünstlerInnen von „Auswärts“ einzuladen finde ich sehr gut. Es braucht den Austausch, den Dialog, das Gegenüber. Zeitgenössische Kunst schafft, gerade in Zeiten wie diesen, einen unschätzbaren Mehrwert für Menschen. Dass wir hier Partner in der Vermittlung in der Region haben freut mich sehr - ich sehe viele Parallelen zur Bildungs- und Vermittlungsarbeit, die wir in der Diözese verfolgen.
between form and image
Zwischen Klarheit und Verwirrung, zwei Begriffe als Gegenpole, die sich hier auf wunderbare Weise ergänzen. Skulpturen und Fotoarbeiten, die in der Betrachtung ein gelungenes und spannungsvolles Gesamtbild ergeben.
Ich wünsche ihnen einen anregenden Abend mit der Betrachtung der Kunstwerke und den Gesprächen, die dadurch angestoßen werden.
Danke für ihre Aufmerksamkeit.
Dr.in Martina Gelsinger/Kunstreferat der Diözese Linz