time to…
Barbara Schiestl Seebacher, Salzburg
Barbara Schiestl-Seebacher macht die Zeit und unseren Umgang damit zum Thema ihrer eigenwilligen neuen Arbeiten.
In „time to…“ beschäftigt sich die Malerin und Grafikerin Schiestl einerseits mit dem Zeitpunkt als Umbruch zu Neuem, aber auch mit unserer kulturellen Zeitbesessenheit.
Eröffnung: Do. 15.9. bis 30.9. 2011
Einführung Sigrid Kofler
Barbara Schiestl wurde in Hall in Tirol geboren, von ihrer Familie wurde ihre Freude am Zeichnen gefördert und so war es ein logischer Schritt, als Brotberuf eine Ausbildung in München als Grafikerin zu wählen, ein Beruf, den sie als Werbegrafikerin und Illustratorin einige Jahre in München ausübte. Sie begann auch bald, als Lehrkraft an der Deutschen Meisterschule für Mode und an der Volkshochschule in München zu unterrichten.
Auch nach ihrer Übersiedlung nach Salzburg 1986 bis heute unterrichtet sie an der VHS Salzburg und Bad Reichenhall verschiedene Zeichnerische Techniken und ist als freiberufliche Grafikerin tätig.
Daneben, oder ich sollte sagen, in der Hauptsache ist sie aber freischaffende Künstlerin, und stellt seit vielen Jahren im In und Ausland aus.
Ihr Schwerpunkt ist neben Ausflüge in Acryl und Aquarell über all die Jahre die Zeichnung geblieben und als Zeichnerin habe ich sie auch in der Berufsvereinigung der Bildenden Künstler in der Berchtholdvilla in Salzburg vor etwa 15 Jahren kennengelernt.
Wo sie früher in ihren Zeichnungen streng gegenstandslos war, geht ihre Entwicklung in den neuen Zeichnungen vom rein Abstrakten weg zu assoziativen Formen und Gebilden, nach wie vor beschäftigt sie sich aber nicht mit der Abbildung der äußeren Welt sondern mit unserer Innenwelt, mit unseren Gefühlen.
Sie nennt die Ausstellung „time to..“ und thematisiert damit einerseits den Zeitpunkt des Jetzt, ruft auf, die Zeit zu nützen, achtsam mit dem Augenblick umzugehen. Sie empfindet, wie die meisten von uns, unsere Zeit als Zeit des Übergangs, der Veränderung, andererseits bezieht sie sich auf die Rolle, die die Zeit in unserer Gesellschaft spielt.
Die Zeit ist ja die Dimension in unserem Leben, die am schwersten fassbar und erklärbar ist, die Physik wie die Philosophie beschäftigen sich von alters her damit.
Ich lasse die Relativitätstheorie aus, da sie Phänomene unter Bedingungen beschreibt, denen wir normalerweise nicht ausgesetzt sind , und beziehe mich auf unsere Alltagserfahrung, in der wir im Newton‘schen Sinn einen Zeitpfeil von der Vergangenheit in die Zukunft erleben, getrennt von dem kurzen Augenblick, den wir Gegenwart nennen und der , Versuchen zufolge als etwa 3 Sekunden lang empfunden wird.
Überhaupt sind die Zeit und unser Zeitempfinden untrennbar mit dem Bewusstsein und den Reizen, die uns erreichen, verknüpft. Die Zeitspannen, in denen uns viele neue Reize erreichen, werden als kurzweilig und kurz empfunden, in ereignislosen Zeiten wird uns die Zeit lang. Umgekehrt, paradoxerweise, empfinden wir im Rückblick, in der Erinnerung, Perioden, die hohe geistige Tätigkeit erfordern, als lange. Betrachten wir hingegen Zeiten in der Vergangenheit, wo wenig neues passiert ist, scheint die Zeit an uns vorübergeflogen zu sein. Dieses Phänomen erklärt vielleicht auch, warum die Zeit, je älter man wird, immer schneller zu vergehen scheint, weil wir uns immer weniger neuen Reizen stellen müssen und stellen.
Uns muss jedoch klar sein, dass unsere Vorstellung der linearen Zeit ein westliches Kulturprodukt ist, das die Vorstellung von Anfang und Gerichtetheit, somit auch Fortschritt bedingt. Das ist aber keine anthropologische Konstante, es gibt daneben zb. die zyklische Vorstellung der Naturethnien, die sich in der Annahme von der ewigen Wiederkehr des Gleichen äußert, oder der östlichen Religionen, die als Idealen Zustand das sich Öffnen der Gegenwart - den Moment - als das einzig Wirkliche sehen.
Unsere Kultur neigt immer stärker dazu, Zeit als Ressource anzusehen, die man planen, verwalten und nutzen soll – der Druck, in immer weniger Zeit immer mehr zu machen, führt zu einer gefühlten Beschleunigung des Lebens, zu Zeitnot und Stress. Angeblich schränken aber Stresshormone gerade die Funktionen in unserer Hirnrinde ein, die für die Zeitwahrnehmung verantwortlich sind, also könnte man sagen: „Wir sind nicht gestresst, weil wir keine Zeit haben, sondern haben keine Zeit, weil wir gestresst sind“.
Viele Menschen sind heute diesem Zeit-Druck nicht mehr gewachsen, reagieren mit psychischen oder physischen Krankheiten. Wer sich diesem Zeitdruck nicht stellen will oder kann, wird schnell zum Außenseiter unserer Gesellschaft.
Gerade Künstler und Künstlerinnen müssen diesem Zeitdruck zumindest hie und da entkommen, achtsam sich einem Moment, einem Gedanken, einer Aufgabe ganz hingeben – jedem Termindruck quasi entrückt , damit Kreatives, schöpferisch Neues entstehen kann.
Alle diese Dinge beobachtet Barbara Schiestl an anderen und sich selbst . Sie setzt ihre eigenen Gefühle und Bezüge in ihren Zeichnungen um, sie zeigt Schleifen und Bögen, Körper bewegen sich entlang von verschlungenen Zeit-Bahnen, werden gezogen, ringförmige Zyklen, Verdichtungen und Entspannungen setzt sie in ihrer eigenständigen zeichnerischen Handschrift um.
Sigrid Kofler September 2011