Fotos von der Vernissage am 1. Februar 2018:

Eröffnung durch Frau Mag.a Gabriele Spindler

Herzlich willkommen auch von meiner Seite hier im Rieder 20ger Haus. Ich bedanke mich bei den Verantwortlichen sehr herzlich für die Einladung heute über die Arbeit von Katharina Anna Loidl zu sprechen und darf vorweg dem 20ger Haus ein Kompliment aussprechen. Ich nehme das Programm schon seit einiger Zeit aus der Ferne wahr, bin jetzt erstmals hier und habe wirklich den Eindruck, dass hier mit viel Überzeugung und Engagement an der Vermittlung zeitgenössischer Kunst gearbeitet wird. Und wir wissen alle, dass das außerhalb größerer urbaner Räume oft gar nicht so einfach ist. Umso wichtiger ist, dass man es trotzdem dranbleibt und Ihr aller Kommen heute Abend zeigt ja auch, dass die Arbeit der Galerie durchaus auf Interesse stößt.

 

„Ferne Weiten“ und „Scharfe Schnitte“ heißen nicht zufällig die beiden Einzelausstellungen von Katharina Anna Loidl, die in diesem Jahr stattfinden, eine in einem Kunstverein in Stuttgart, eine hier in Ried und zusammen ergeben die beiden Titel „Ferne Weiten“ und „Scharfe Schnitte“ ideale Eckpunkte, anhand derer man das Werk von Katharina Anna Loidl sehr gut erfassen kann.

 

Wenn man sich die zahlreichen Auslandsaufenthalte, Stipendien und Artist in Residence-Orte ansieht, an denen sich die Künstlerin in den letzten Jahren aufgehalten hat, nachdem sie ihr Studium an der Kunstuniversität Linz und ein weiteres an der Hochschule für Kunst und Design in Marseille abgeschlossen hatte, dann merkt man, dass die „Fernen Weiten“ es ihr angetan haben und dass die Ferne als solche, nicht nur als äußerer Faktor des Lebens, sondern auch bildimmanent, ein wesentlicher Bezugspunkt in ihrer künstlerischen Arbeit geworden ist.

 

An einem dieser Aufenthaltsorte, an die sie ein Stipendium führte, fand sie auch die Vorlagen, die den Ausgangspunkt für ihre Serie der „Landschaftsradierungen“ bildeten, die wir heute Abend hier in der Ausstellung sehen können. Es war bei einem Aufenthalt in der Schweiz, wo die Künstlerin in diversen Antiquitätengeschäften auf die Druckgrafiken aus dem 19. Jh. gestoßen ist, die sie als Material für ihr eigene künstlerische Arbeit einsetzt, indem sie dieses vorgefundene Material auf eine ganz spezielle Weise bearbeitet.

 

Bleiben wir aber noch bei den Vorlagen, hier treffen wir nämlich auf das Motiv der „Fernen Weiten“. Es handelt sich um Landschaftsansichten, zum größten Teil aus den Alpen, mit wilden Schluchten, romantischen Gebirgsseen, hochaufragenden Bergspitzen und beeindruckenden Gebirgsmassiven. Diese Ansichten, und das ist elementar für das Verständnis der Arbeiten von Katharina Anna Loidl, stammen aus einer Zeit, als die Industrialisierung im 19. Jahrhundert Europa massiv zu verändern begann und dies unter anderem dazu führte, dass die sogenannte unberührte Natur mehr und mehr als Gegenpol zu den industrialisierten urbanen Räumen angesehen wurde und in ihrer Erhabenheit durchaus auch idealisiert wurde. Der Begriff der Erhabenheit, der erhabenen Landschaft, war damals weitgehend gleichgesetzt mit Schönheit, verwies aber im romantischen Sinne auch auf die Bedeutungslosigkeit des Menschen angesichts der Übermacht der Natur, und vor allem der Naturgewalten.

 

 

Was macht Katharina Anna Loidl nun mit diesen Landschaftsansichten? Was ist ihr künstlerischer Eingriff? Sie bearbeitet diese Blätter mit dem klassischen Werkzeug der Radierer, mit Stichel und Radiernadel und nimmt aus Teilen des Bildes die Druckerschwärze ab. Jetzt sind wir also beim Begriff der „Scharfen Schnitte“ angelangt und was durch diese Schnitte entsteht, sind signifikante Eingriffe in die Bildkomposition, denn natürlich sind diese weißen geometrischen Körper eine markante Irritation im Bild und „stören“ die Ansicht der idealen Landschaft. Die Irritation ergibt sich aus den Gegensätzen, die die Künstlerin in diesen Bildern miteinander verbindet: das Abstrakte mit dem Gegenständlichen, das Historische mit dem Zeitgenössischen, die ländliche Natur mit urbaner Architektur usw. Denn klar ist, dass unsere Wahrnehmung diese Kuben und anderen geometrischen Formen als modernistische Architektur interpretiert und zuordnet.

 

Die besondere Spannung in diesen Arbeiten erwächst daraus, dass trotz dieser Gegensätze in der Gesamtwirkung ein Eindruck von Harmonie entsteht. Und das liegt meiner Meinung nach vor allem an der speziellen Art des Eingriffs, der nämlich nicht etwas hinzufügt, sondern etwas wegnimmt. Was ich damit meine, lässt sich durch einen Vergleich mit ähnlichen künstlerischen Konzepten erklären. Sie kennen alle die berühmten Fotoübermalungen von Arnulf Rainer, Sie kennen das Prinzip der Collage, in beiden Fällen wird oft historisches Material überarbeitet, der Unterschied ist aber eben, dass hier etwas dazugegeben wird und nicht, wie bei Katharina Anna Loidl etwas weggenommen und mit der entstandenen Leerfläche gearbeitet wird. Und das hat eine prägende Auswirkung auf den Eindruck, den man von diesen Kompositionen letztlich gewinnt.

 

Trotz dieser subtilen Harmonie ist es jedoch ein durchaus radikales Konzept, das die Künstlerin verfolgt, immerhin greift sie bewusst in vorgefundenes künstlerisches Material ein. Denn auch wenn davon auszugehen ist, dass es diese Stiche noch mehrfach irgendwo auf der Welt in Sammlungen gibt, – solche Druckgrafiken hatten ja immer Auflagen, waren also keine Unikate – so handelt es sich dennoch um Originale aus dem 19. Jahrhundert. Hinter diesen kleinen, feinen Blättern von Katharina Anna Loidl liegt also ein relativ radikaler künstlerischer Zugang verborgen, aber wie wir alle wissen, zeichnet sich qualitätsvolle Kunst, spätestens seit dem Anbruch der Moderne, häufig durch Formen von Radikalität aus.

 

Soviel von meiner Seite zu den Arbeiten der Ausstellung, nützen Sie heute Abend die Gelegenheit auch mit der Künstlerin ins Gespräch zu kommen, sie gibt sicher auch gern über ihre Arbeit Auskunft. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen schönen Abend!